Hartz Four - eine Superhelden-Kurzgeschichten-Saga


Seit Jahren sind Hartz-IV-Empfänger die Deppen der Nation. Ob in Ein-Euro-Jobs als billige Arbeitskräfte missbraucht oder vom Jobcenter schikaniert – immer müssen Hartzies herhalten. Doch jetzt treten vier Superhelden in Berlin-Neukölln an die Seite der Armen und Entrechteten: Hartz – Four!

Dietmar Röber


Dietmar

Sandra Röber


Mike Matschke


Fred


Der Boss der Truppe verlor bei einem Unfall sein rechtes Auge. Das Glasauge, das man ihm dafür einsetzte, befähigt ihn nun durch Gegenstände schauen zu können...Dietmars kleine Schwester ist mit allen esoterischen Wassern gewaschen! Häufig sind es ihre prophetischen Träume, die der Hartz-Four Gruppe zeigen, welche arme Hartz-IV-Seele gerade Hilfe braucht.Seit einem allergischen Anfall verfügt dieser Bodybuilder über enorme physische Kräfte, die er allerdings nicht immer kontrollieren kann.Diesem Vollbluttrinker ist es gelungen seine Alkoholfahne zu domestizieren: Diese kann sich unsichtbar durch Räume bewegen und Stimmen imitieren - Sie ist das heimliche fünfte Mitglied des Hartz Four - Clans...



Mittwoch, 31. Juli 2013

Die Hartz-Four Truppe entsteht
Was bisher geschah: Durch seine Record-Funktion seines Röntgen-Auges bekam Dietmar mit, dass Sandra verschleppt wurde...

Dietmar schaltete die Mikrokamera aus. „Scheiße … Das wars jetzt wohl …“, stöhnte er und sackte mutlos zusammen.
Wieso denn, ey, isch hab disch wachjemacht!“
Dietmar schaute sich um, aber sein gesundes Auge nahm die Umgebung weiterhin nur schemenhaft wahr. Ach, der Besoffene …
Wie, du hast mich wach gemacht?“
Na, mir hat der doc doch och ne spritze rinjejagt, aba isch bin ja nisch anfällich für diese komatropfn, wegn mein hohn aloholspiegl … was ham die schwestan in e klinik imma probiert misch zur ruhe zu krign …“
Komm zum Punkt, Alter!“, fuhr Dietmar ihn an.
Na, ick hab mir jedacht, was mir jut tut kann für dich nich schlecht sein: Ick hab den jägermeister in spritzn jefüllt und hab dir den lebnssaft rinjespritzt …“
Dietmar schaute an sich herunter und sah, dass in seinem linken Oberschenkel tatsächlich zwei Spritzen steckten. Fred war gerade dabei, ihm eine weitere Injektion in den Oberarm zu rammen.
Willst du mich vergiften?“, schrie er und riss sich die Kanülen aus den Gliedern.
Willste nun dein schwestaherz rettn oda nisch?“
Nur wie? Diese faschistischen Lustmolche fahren nach Schönefeld, weißt du, wie groß der Flughafen ist?“
Sei nicht verzweifelt, kleiner Kommunistenjunge“, hörte Dietmar plötzlich Zwackelmanns Stimme. „Ich habe einen Teil von mir in die Bluse deiner Schwester versenkt, wenn wir in ihrer Nähe sind, können wir sie orten… “
Kenne angst, dit is nisch der doc, dit is meene jägifahne, die nimmt fremde stimmn uf, wien papagei.“
Dietmar konnte mittlerweile nichts mehr schocken.
Na also, los geht’s!“, befahl er.

Am nächsten Mittwoch geht es weiter.

© Georg Weisfeld c/o Agentur Literatur Hebel & Bindermann

Mittwoch, 24. Juli 2013

Die Hartz-Four Truppe entsteht
Was bisher geschah: Dr. Zwackelmann erwägt Dietmar das Röntgen-Auge heraus zu operieren – aber es klingelte...

Dietmars Schädel brummte, sein rechtes Auge nahm alles nur verschwommen wahr.
Fred … Bonnys Ranch … Zwackelmann … Filmriss … Sandra in Gefahr.“
Intuitiv griff er sich an die linke Schläfe und spulte die letzten Aufnahmen zurück. Kurz bevor er wegtrat, war es ihm gelungen, die Record-Funktion seines Glasauges zu aktivieren:

Kurz nachdem sich der Kamera ein Skalpell genähert hatte, betrat ein weiterer Mann das Sprechzimmer:
Warum nehmen wir den nicht auch gleich mit?“
Zu gefährlich – Wenn ich jetzt beide Geschwister verschwinden lasse, dann müsste ich auch noch diesen Penner beseitigen. Und das alles in meiner Praxis, nee, die Ökotussi reicht, damit machen wir unseren Abtrünnigen gefügig.“
Aber Sie können die beiden doch nicht einfach hier liegen lassen!“
Die schlafen noch zwölf Stunden. Heute Nacht kommt ein Clean-Up-Team vorbei, die Jungs bringen die beiden dann weg und legen sie irgendwo in die Gosse. Da gehören sie schließlich hin …“
Zwackelmann lachte. „Los kommen Sie, auf nach Schönefeld, wir haben einen langen Flug vor uns …“
Sie verschwanden im Nebenraum, und kamen kurz darauf mit einer Art Sarg zurück, in dem sich offensichtlich Sandra befand.
Sieht nett aus, das Mädchen…“. kommentierte der Fremde und deutete mit dem Kopf auf die Holzkiste.
Zu intelligent für Sie“, lachte Zwackelmann, „das habe ich vorhin gemessen. Aber wenn ich drüben bin, dann mache ich aus ihr ein kleines Dummchen, dann können Sie sie haben …“
Unter Gelächter polterten die beiden hinaus.

Am nächsten Mittwoch geht es weiter...

© Georg Weisfeld c/o Agentur Literatur Hebel & Bindermann

Mittwoch, 17. Juli 2013

Die Hartz-Four Truppe entsteht
Was bisher geschah: Im Jahre 1982 wurde Dietmar in den USA ein künstliches Auge verpasst. Jetzt geht es in der Gegenwart weiter: Er, Fred und Sandra werden vom Nerven-Doc Zwackelmann in dessen Praxis festgehalten...

Heute ist mir natürlich klar, was passiert ist“, monologisierte Zwackelmann vor Dietmar, der von all dem nichts mitbekam. „Deine Schwester muss die Schilder ausgetauscht haben."
´So sehen also Eure Soldaten aus? Kein Wunder, dass Ihr den Krieg verloren habt!´ Was hab ich mir drüben nicht alles anhören müssen. Ich konnte ja nicht sagen, was da schief gegangen ist. Also habe ich dem angeblichen Soldaten Tobias Müntzer das Magicus Vitrum Okulus eingesetzt.“
Er schaute sich den ehemaligen Elitesoldaten, der die schlechteste Ausbilderbewertung aller Zeiten bekommen hatte, für einige Momente an.
Ja, Röber, das wäre deine Chance gewesen: Wenn du dich in der Ausbildung ein bisschen auf den Hosenboden gesetzt hättest, dich angestrengt hättest, dann wäre aus dir was geworden. Wir hätten doch alles arrangieren können – hier mit deiner Schwester zum Beispiel, die hätte doch auch in die Staaten kommen können. Und heute wärst du ein angesehener CIA-Veteran und würdest dich im Anti-Terror Kampf gegen die drohende Islamisierung unseres Erdballs profilieren.
Aber nein, Herr ´Müntzer´ zog es vor, shit zu Rauchen, während die Kameraden Fallschirmübungen machten, Schach zu spielen, während die Kameraden im Kraftraum schwitzten und dann als Höhepunkt … Erinnerst du dich? Bei einem präsidialen Truppenbesuch hast du öffentlich Nancy Reagan gelobt, dass sie die Atomwaffen-autorisierungscodes in ihrer Handtasche trägt und nicht ihr durchgeknallter Ehemann.“
Jetzt, wo du da so harmlos herumsitzt, fällt mir auf …“. Er stand auf und holte sich ein Skalpell vom Operationstisch: „Ich könnte mir das zurückholen, was ich dir vor Jahrzehnten anvertraut habe …“
Ding-Dong – machte es an der Tür.
Oh, das wird der Fahrer sein... Glück gehabt – aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.“
Zwackelmann sprang auf, um den Fahrer herein zu lassen.

Am nächsten Mittwoch geht es weiter...

© Georg Weisfeld c/o Agentur Literatur Hebel & Bindermann

Mittwoch, 10. Juli 2013

Die Hartz-Four Truppe entsteht
Was bisher geschah: Dr. Zwackelmann hat sich entschieden das Leben eines Soldaten zu retten und Sandras Bruder Dietmar sterben zu lassen...

Er ärgerte sich über sich selbst: Wie hatte er nur so dumm sein können, sich mit dieser Göre einzulassen, wo doch so viel auf dem Spiel stand! Heute Morgen um acht, als er den einäugigen, durchlöcherten Müntzer zum ersten Mal gesehen hatte, war ihm sofort klar gewesen: Ja, der musste es sein, damit wäre die größte Hürde genommen, das ´Yes´ aus dem LCC-Headquarter zu bekommen. „Get him in“, hatte ihm John eine Stunde später bestätigt. Und jetzt ließ er sich auf Kinderspiele ein …
Und trotzdem lief in seinem Kopf kurz ein Röber-Szenario ab:
Er stellte sich vor, wie sich in dem LCC-Geheimlabor unter der Wüste Nevadas, einem Ort, von dem nur sehr, sehr wenige Menschen überhaupt wussten, die besten Wissenschaftler der westlichen Welt versammelt hatten und er, der „Kraut“ Zwackelmann, der Neuling, sein Exponat in die ehrwürdige Operationshalle rollte, er dann das Plastiklaken von seinem Probanden nahm und die werten Herrschaften statt eines gutgebauten Soldatenkörpers einen spirrligen, langhaarigen Hippie erblickten, auf dessen rechter Brust ein großes „Punk is not Dead“-Tattoo prangte …
Auf Zwackelmanns Stirn bildete sich kalter Schweiß.
Keine Frage: Der US-Air Force Hubschrauber, den er geordert hatte, und der den Patienten innerhalb der nächsten zwei Stunden zum nächstgelegenen amerikanischen Stützpunkt bringen sollte, würde den Soldaten Müntzer transportieren!
Er stoppte und trug in das entsprechende Formular den Namen Tobias Müntzer ein.
Hier, die Unterlagen für den Krankentransport! Und schlampen Sie nicht damit, das ist sehr wichtig!“, bellte er der Rezeptionsdame entgegen, als er die Aufnahmezentrale erreicht hatte.

Neunzig Minuten später konnte er durch das Fenster des Behandlungsraumes beobachten, wie der Hubschrauber langsam an Höhe gewann. „See you in the States, Special Agent Müntzer!“, murmelte er bewegt und führte die gestreckte rechte Hand an den Kopf um zu salutieren.
Ich habe dem Herrn Mayr die Stützstrümpfe ausgezogen. Sie können jetzt, Herr Zwackelmann“, unterbrach ihn die keifende Stimme der Oberschwester.
Zwackelmann zückte sein kleines Hämmerchen und begann auf der Kniescheibe des alten Mannes herumzuklöppeln, um die Reflexe zu testen.
In zwei Tagen flieg ich hinterher, dann bin ich diesen Idiotenjob los“, grummelte er vor sich hin. „Dann bastele ich mir einen neuen Menschen …“
Zwackelmann schaute seinen Patienten an: „Das werden Menschen sein, die nicht vor dem Russischen Winter kapitulieren, nicht wahr, Herr Mayr?“
Bitte, wos hoam Se gesoagt?“, stammelte Mayr zurück.
Schon gut –„, entgegnete Zwackelmann, schrieb zwei Bemerkungen in die Krankenakte, stand auf und verließ das Zimmer.

Haben Sie das verbockt, Schwester!?“, schrie Zwackelmann mit hochrotem Kopf Schwester Gaby an.
Sie standen zu dritt in dem Krankenzimmer, in dem bis vor einer halben Stunde noch Dietmar Röber und Tobias Müntzer in ihren Betten lagen.
Jetzt beruhigen Sie sich doch!“, ging der Stationsarzt dazwischen.
Beruhigen? Warum ist mein Patient Tobias Müntzer nicht in dem Hubschrauber, sondern liegt tot in seinem Bett?“
Aber Herr Dr. Zwackelmann, das ist nicht der Müntzer – Röber steht hier!“, entgegnete der Arzt und zeigte auf das Schild am Fußende des Bettes.
Ich weiß nicht, wie das geschehen konnte“, sagte Gaby mit tränenerstickter Stimme. „Die beiden Amerikaner sind ins Zimmer rein und haben sofort das Haus mit der Trage wieder verlassen, wir konnten nichts tun. Erst eben, als der Tod von Herrn Müntzer eintrat, habe ich gemerkt, dass etwas nicht stimmt …“
Das Mädchen!“, zischte Zwackelmann und krallte seine Hände in die Eisenstange des Krankenbettes „Das Miststück hat mich heute schon mal reingelegt!“

Am nächsten Mittwoch geht es weiter...

Mittwoch, 3. Juli 2013

Die Hartz-Four Truppe entsteht
Was bisher geschah: Wir befinden uns im Jahr 1983 – der schwerverletzte Dietmar Röber liegt im Sterben und seinem Arzt wird Röbers kleine Schwester Sandra vorgestellt...

Ähm… Herr Doktor … das Mädchen …“, unterbrach die Krankenschwester Zwackelmanns Tagtraum und deutete auf das Kind, das still an einem Tisch im Zimmer saß.
Ja und? Was ist mit dem Mädchen?“, raunte Zwackelmann zurück.
Das ist die Schwester von dem Röber, Sandra Röber, und …“ Sie trat an Zwackelmann heran und flüsterte: „Sie hat bei dem Unfall ihre Eltern verloren und ich denke, es wäre nicht gut, wenn sie erfahren würde, in was für einem kritischen Zustand sich ihr Bruder befindet …“
Ach, das ist die Schwester?“ Er schaute sich das Kind kurz an. „Interessant! Schwester Gaby, lassen sie uns bitte allein!“

Die Schwester verließ irritiert das Zimmer, Zwackelmann zog sich einen Stuhl an den Tisch und schaute sich das Mädchen für einige Augenblicke an. Das etwa siebenjährige Kind saß regungslos da und sah starr geradeaus.
Es war das traumatisierte Gehirn, das im Kopf dieses Mädchen saß, und daran werkelte, den Schock zu verarbeiten, das Zwackelmann faszinierte. Er hatte ein unbändiges Verlangen, dieses Organ auf seine augenblickliche Leistungsfähigkeit zu testen.
Hallo Sandra, ich bin der Wolfgang!“, versuchte er Kontakt aufzunehmen.
Keine Reaktion.
Sandra … einer der Männer, die dort liegen, ist dein Bruder, richtig?“
Zwackelmann sah, dass Sandra schüchtern nickte.
Bingo, in dem kleinen Hirn kommt ja noch was an!“, dachte er und schaute hektisch zur Tür, um sich zu vergewissern, dass sie geschlossen war.
Sandra, ich habe jetzt richtig Lust, mit dir ein kleines Spiel zu spielen!“ Er stand auf, hastete zum Waschbecken, griff sich drei Pappbecher und setzte sich wieder ihr gegenüber an den Tisch.
Die beiden Männer sind leider sehr, sehr krank. Und ich kann nur einem helfen … Eigentlich dürfte ich deinem Bruder nicht helfen, aber weil ich dich mag, möchte ich dir die Möglichkeit geben, um deinen Bruder zu spielen. Du willst doch, dass dein Bruder lebt, oder?“
Er nahm Sandras apathisches Nicken wahr und spürte, wie ihm ein kalter Schauer den Rücken hinunter lief. Er zog einen Bonbon aus der Kitteltasche.
Wenn du es schaffst, herauszufinden, unter welchem Becherchen sich dieser Bonbon befindet, dann kannst du nicht nur den Bonbon behalten, sondern dann mach ich deinen Bruder auch wieder gesund, verstanden?“
Zwackelmann legte den Bonbon unter den mittleren Becher und begann die Becher langsam zu verschieben, behielt aber stets Sandras Blick im Auge. Sandra starrte einfach weiter grade aus.
Du musst dich mehr anstrengen!“
Er hob einen Becher an.
Hier ist der Bonbon! Ich will, dass du dir merkst, wo er ist!“ In Zeitlupe setzte er die drei Becher wieder in Bewegung, um dann langsam schneller zu werden.
Komm Sandra, konzentrier dich! Wo ist die Wundermedizin für deinen Bruder … Du musst dich konzentrieren …“, säuselte er erregt und wechselte die Richtung.
Streng dich an, kleine Sandra, sonst hat der Onkel Doktor keinen Spaß!“ Plötzlich stoppte er abrupt das Geschiebe und merkte, dass er vor Erregung zitterte.
Nun entscheide du über Tod oder Leben …“, hauchte er. „Wo ist der Bonb…“
Sandra hob ohne zu zögern den rechten Becher, unter dem sich der Bonbon befand, hoch, stellte ihn beiseite und verfiel sofort wieder in apathische Starre.
Zwackelmann schluckte hart und sah das Mädchen für einige Sekunden entgeistert an.
Das war Glück, Sandra, das war reines Glück und das weißt du …“
Er stand auf, schnappte sich seine Unterlagen, verließ den Raum und blaffte auf dem Gang: „Schwester Gaby! Schwester, das Mädchen wird unter Ritalin gesetzt!“

Nächsten Mittwoch geht es weiter...