Die
Hartz-Four-Truppe entsteht
Was
bisher geschah: Sandra und Dietmar sind nach Zehlendorf gefahren, um
einem Ein-Euro-Jobber zu helfen, entdecken aber ein anderes
Hartz-IV-Opfer...
„Das
gibt’s doch nicht.“ Dietmar und Sandra standen vor dem S-Bahnhof
Nikolassee.
„Na
siehst du: Es gibt nicht nur in Neukölln hilfsbedürftige Menschen“,
triumphierte Sandra.
Auf
der anderen Seite des Bahnhofvorplatzes kramte ein Mann im Müll.
Er trug einen weißen Anorak, hatte seine angegrauten Haare streng
nach hinten gebunden und schleifte einen Einkaufstrolley hinter sich
her.
„Der
weiß halt, dass die Snobs zu bequem sind, ihre Pfandflaschen wieder
abzugeben – deswegen fährt der hier raus. Warte du mal hier, ich
greif ihm kurz unter die Arme.“
„Da
ist nix drin“, brüllte Dietmar dem Mann zu.
Der
sah verwirrt auf und knipste erschrocken die Taschenlampe aus, mit
der er in den Mülleimer geleuchtet hatte.
„In
der anderen Tonne da drüben allerdings gibt‘s ‘ne PET-Flasche
und ‘ne Bierflasche, komm mal mit …“
Wortlos
schlurfte der Fremde Dietmar quer über den Platz hinterher und
leuchtete dann in den Abfalleimer, den Dietmar ihm gezeigt hatte.
„Stimmt,“
grummelte er und fischte eine leere 1,5 Liter Plastikflasche heraus.
„Und
ganz unten links liegt die Bierflasche, aber darüber …“, Dietmar
scannte den Mülleimer erneut, „… tja, da hängen leider Reste
von ‘ner Sushi-Platte…“
Kommentarlos
langte der Mann in den Behälter.
„Noch
ein Stück weiter links ...“, dirigierte Dietmar und schon war die
Flasche draußen und wurde im Hackenporsche verstaut.
„Danke“,
murmelte der Hartzie.
„Keine
Ursache“, antwortete Dietmar und winkte im Weggehen ab.
„Hey
wart‘ mal, sag mal, kannst du durch den Behälter gucken?“
Dietmar
überlegte kurz, ob er lügen sollte, aber wahrscheinlich konnte der
Typ mit der Wahrheit eh nicht viel anfangen:
„Ja,
mit meinem linken Auge kann ich durch Gegenstände sehen.“
Das
verhärmte Gesicht und die müden Augen verrieten nicht, was im Kopf
des Mannes, den Dietmar auf Anfang fünfzig schätzte, vorging.
„Glaub
ich nicht …“, antwortete er schließlich.
„Ist aber so. Egal, ich
geh dann mal … Aber dein T-Shirt solltest du mal wieder waschen,
sonst gibt’s Ärger mit Spiderman!“
Der
Hartzie zuckte zusammen, als hätte ihn der Blitz getroffen. Er riss
den Reißverschluss seines Anoraks auf und starrte auf seine Brust,
um zu schauen, welches T-Shirt er heute trug. Dann vergrub er den
Kopf in der Jacke und nuschelte darunter hervor: „Da kann man nicht
durchgucken … Krass, Alter! … Krass!“
Er
schaute Dietmar entgeistert an, seine Lethargie war verschwunden: „Du
hast geheime Fähigkeiten …“
„Naja,
jetzt sind sie ja nicht mehr so geheim …“, erwiderte Dietmar
trocken.
„Bist
du … du bist so ein Zauberer, so ein Magier … Nein, du bist: Ein
Superheld!“
Hat
Dietmar seinen ersten Fan? Nächste Woche geht es weiter...
©
Georg Weisfeld c/o Agentur
Literatur Hebel & Bindermann
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