Hartz Four - eine Superhelden-Kurzgeschichten-Saga


Seit Jahren sind Hartz-IV-Empfänger die Deppen der Nation. Ob in Ein-Euro-Jobs als billige Arbeitskräfte missbraucht oder vom Jobcenter schikaniert – immer müssen Hartzies herhalten. Doch jetzt treten vier Superhelden in Berlin-Neukölln an die Seite der Armen und Entrechteten: Hartz – Four!

Dietmar Röber


Dietmar

Sandra Röber


Mike Matschke


Fred


Der Boss der Truppe verlor bei einem Unfall sein rechtes Auge. Das Glasauge, das man ihm dafür einsetzte, befähigt ihn nun durch Gegenstände schauen zu können...Dietmars kleine Schwester ist mit allen esoterischen Wassern gewaschen! Häufig sind es ihre prophetischen Träume, die der Hartz-Four Gruppe zeigen, welche arme Hartz-IV-Seele gerade Hilfe braucht.Seit einem allergischen Anfall verfügt dieser Bodybuilder über enorme physische Kräfte, die er allerdings nicht immer kontrollieren kann.Diesem Vollbluttrinker ist es gelungen seine Alkoholfahne zu domestizieren: Diese kann sich unsichtbar durch Räume bewegen und Stimmen imitieren - Sie ist das heimliche fünfte Mitglied des Hartz Four - Clans...



Dienstag, 27. November 2012

Die Hartz-Four Truppe entsteht
Was bisher geschah: Auch Mike wurde nach seiner Transformation von Dietmar und Sandra gerettet...

Liebe Genossinnen und Genossen, schön, dass Ihr so zahlreich erschienen seid, um gemeinsam mit mir die ,Rote Zelle Neukölln, zu gründen, die ein starkes Bollwerk gegen die imperialistischen Kräfte in unserem Bezirk bilden wird.
Viel zu lange ist die arbeitende Bevölkerung von der kapitalistischen Klasse ausgebeutet worden – jetzt ist es an der Zeit, den revolutionären Funken in diesem Stadtteil zu entzünden …“
Dietmar nahm einen Schluck aus seinem Wasserglas.
Sandra schaute ihren Bruder mitleidig an: Immer wenn er sich mit Politik beschäftigte, wurde er furchtbar bieder und litt unter Realitätsverlust.
„… Wie in den Flugblättern bereits erläutert, wollen wir uns mit den späten Schriften des Genossen Lenins beschäftigen, um dann eine praktische Umsetzung seiner Theorien in unserem Bezirk voranzutreiben. Doch jetzt freue ich mich, das Wort an die designierte 2. Vorsitzende der Roten Zelle Neukölln zu übergeben: Sandra Röber, bitte Sandra …“
Äh, Moment, ich habe gar nicht gesagt, dass ich bei deinem Verein mitmache!“
Aber warum bist du dann hier?“
Weil du deine Gründungsveranstaltung in unserem Wohnzimmer abhältst! Dasselbe gilt für Mike, der grade auf unserem Sofa lebt, weil er nicht nach Hause kann und für Fred, der in unserem Couchsessel schläft, weil er sonst kein Dach über dem Kopf hat. Lass uns doch mal über meine Idee sprechen!“
Also, Dietmar,“ warf Mike ein, „wenn du für deinen Verein eine 2. Vorsitzende brauchst, dann würde ich das machen. Du hast mich hier schlafen lassen, da würde ich mich gern bedanken und die 2. Vorsitzende spielen …“
Gut, das notiere ich hier mal … 2. Vorsi…“
Dietmar, deinen Kommi-Club kannst du doch auch später noch machen!“, funkte Sandra verärgert dazwischen.
Wie wir Mike schon erzählt haben: Dietmar und ich haben eine Hilfsorganisation für Hartz-IV-Empfänger gegründet – die Hartz-Angels, und wir könnten da Verstärkung gebrauchen: Euch beide!“
Wir sind dabei!“, sagte die Jägi-Fahne.
Du bis der chef, mein schatz …“, nuschelte Fred.
Schön...und, Mike, was ist mit dir?“
Ähm …ja, ich würde ja gern bei euch mitmachen, aber ich kann nicht: Ich fresse verbotene Eiweißpräparate, habe den Arsch voller Schulden und mich seit Tagen nicht bei meinen Fallmanager gemeldet, mit andern Worten: Ich habe mich strafbar genug gemacht, da kann ich nicht auch noch in eine kriminelle Vereinigung eintreten …“
Wir sind doch keine kriminelle Vereinigung!“
Hört man doch immer wieder im Fernsehen: Die Hartz Angels …“
Du meinst die Hells Angels“, sagte Dietmar. „Das stimmt, die sind richtig kriminell: Einer der Chefs soll sich sogar mal mit unserem Alt-Bundeskanzler Schröder getroffen haben.“
Aber vielleicht ist der Name wirklich nicht passend …“, überlegte Sandra. Sie sah sich die Runde an.
Alscho was haaltet ihr von ... von …“, kam von Fred – und aus dem Nichts ergänzte die Jägi-Fahne: „Hartz-Four?“


Hartz-Four wurde gegründet, am nächsten Dienstag geht es weiter...

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Dienstag, 20. November 2012

Die Hartz-Four Truppe entsteht
Was bisher geschah: Dietmar und Sandra sitzen auf einer Parkbank direkt unter Mikes Krankenzimmer. Mike hat derweil Post von seinem ehemaligen Arbeitgeber, einem Zehlendorfer Anwalt, bekommen...

Mühsam setzte Mike seinen massigen Körper in Bewegung und griff nach dem Brief seines Arbeitgebers.
Herr Klausen will mir bestimmt gute Besserung wünschen“, dachte er sich, riss mit seinen klobigen Pranken das Briefcouvert auf und begann zu lesen:

Sehr geehrter Herr Matschke,
mit Bedauern mussten meine Frau und ich feststellen, dass das Ihnen von uns entgegengebrachtes Vertrauen auf schändliche Art und Weise missbraucht wurde. Meine Frau hat Ihnen eindringlich erläutert, wie labil unsere Tochter Patrizia im Moment ist, da sie grade die Prüfungen ihres „International Management and Economic“ Master Studiengangs absolviert. Doch anstatt Ihrer Aufgabe gerecht zu werden, sperren Sie unsere Tochter auf den Dachboden, um die Lebensmittel zu verkonsumieren, die für sie gedacht waren.
Wie Sie sich vorstellen können, wird Ihr Verhalten ein juristisches Nachspiel haben: Ich habe heute Morgen bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen Nötigung gegen Sie gestellt. Weiter fordern wir Sie auf, die durch Ihr Verschulden verursachten Kosten, siehe Liste, innerhalb von 14 Tagen zu begleichen und auf das unten stehende Konto zu überweisen.

  1. Lebensmittel 13,48 €
  2. Verätzter Mahagoniboden 12.220,00 €
  3. 3 Bäume (Kirsche, Birke, Eberäsche) 3.578,00 €
  4. Schmerzensgeldforderung 3.000,00 €
Gesamtsumme: 18.798,00 €

Sollte die Gesamtsumme nicht fristgerecht auf unserem Konto eingehen, sehen wir uns gezwungen, zivilrechtliche Schritte gegen Sie einzuleiten.
Mit freundlichen Grüssen

Dr. jur. Klausen

P.S.: Damit wir uns nicht missverstehen: Wir sind keine geizigen Menschen: Sie hätten sich gerne eine Banane aus der Obstschale nehmen können – dass das hier noch mal ganz klar kommuniziert ist.“

Nee, keine Chance - das kann ich nicht entziffern, das ist zu weit weg!“, stellte Dietmar grade enttäuscht fest, als die beiden ein unmenschliches Röhren hörten, das aus dem Krankenhaus dumpf in den Park hinaus schallte. Es folgte ein zweiter, etwas schrillerer Schrei. Dietmar sprang auf und stammelte ehrfurchtsvoll: „Ist das der Mike?“.
Sie vernahmen ein Stampfen, dann barsten die Fensterscheiben von Mikes Krankenzimmer und ein Krankenbett flog in den Park.
Die beiden Geschwister duckten sich hinter die Bank und starrten fassungslos nach oben, wo eine kreischende Frauenstimme zu hören war. Kurz darauf knallte eine dicke Krankenschwester unsanft auf die demolierte Pritsche.
Und dann geschah etwas, was selbst den abgebrühten Dietmar Röber zur Salzsäule erstarren ließ: Eine riesige Gestalt schoss aus der ersten Stock des Krankenhauses und landete mit einem dumpfen Dröhnen direkt vor ihnen auf dem Rasen. Der massige, vor Muskelbergen überquellende Körper hatte nur noch entfernt menschliche Konturen, aus dem Kopf starrten zwei überproportionale Glupschaugen und in dem gigantischen Mund prangte ein furchterregendes Gebiss.
Ohne sie auch nur wahr zu nehmen sprang der Koloss mit einem riesigen Satz über die Bank und sprintete in Richtung Wald.
Das Beben nahm kontinuierlich ab und schon nach wenigen Sekunden war das Wesen in der anbrechenden Dämmerung zwischen den Bäumen nicht mehr auszumachen. Dietmars Glasauge lokalisierte Mike allerdings sofort: Der Riese riss im Dickicht Bäume aus und pfefferte sie wild durch die Gegend.
Oh Gott, er verschneidet wieder Pflanzen!“, murmelte Dietmar, während er beobachtete, wie der Koloss langsam an Tempo und Größe verlor.
Es ist tatsächlich Mike!“
Für ein paar Sekunden hockten sie regungslos hinter der Bank. Aus der Ferne erklang Sirenengeheul.

Komm!“, forderte Sandra Dietmar schließlich auf, „wir gehen hin.“
Du musst lebensmüde sei“, flüsterte er, schlich ihr aber ohne weiteren Widerstand hinterher.
Behutsam näherten sie sich ihrem Schützling bis auf etwa zwanzig Meter. Mike hatten sie noch nicht bemerkt. Er ließ den Kopf hängen und war offensichtlich dabei zu ergründen, was da gerade mit ihm passiert war.
Hallo?“, sagte Sandra vorsichtig, aber bestimmt.
Mike schoss herum, „Äh, ja, ehm, hallo …Äh, das hier mit den Bäumen, dass war ich nicht, das mit den Bäu … Oh Scheiße …!“ Er bemerkte, dass er komplett nackt war und versuchte, sein Gemächt mit den Händen zu bedecken.
Du musst dich nicht rechtfertigen! Wir, also der Dietmar und ich, ich bin die Sandra, wir haben Verständnis für deine Situation, wir sind die Hartz-Angels, wir setzen uns für Hartz-IV-Empfänger ein. Und du musst dich auch deiner Nacktheit nicht schämen: Du stehst hier vor uns, wie unsere große Schöpferin uns alle auf die Erde gesandt hat. “
Also so bin ich nicht auf die Welt gekommen!, warf Dietmar ein.
Halt den Mund!“
„ – Es ist ähm ... Wenn du dich nicht von den konventionellen sexuellen Tabus löst, baust du unnötige Energieblockaden auf!“
Ich fände es ganz gut wenn er seine Energie ein wenig blockieren würde ...“
Schnauze, Dietmar! – Mike, entspann dich...“
Das einfühlsame Wesen Sandras und ihre warmen Schwingungen ließen Mikes naives Wesen sofort Vertrauen gewinnen und er berichtete freigiebig von der ungerechten Behandlung durch seinen Arbeitgeber. Immer wieder versuchte er seinen Penis zu verdecken, aber wenn er seine durch den Bizeps sowieso verkürzten Arme strecken wollte, schwoll seine Brust an und drückte die Arme nach außen. Schließlich beugte er sich und klemmte sein kleines Bodybuildergemächt zwischen die muskulösen Beine.
18.000 Euro …“, erwähnte Dietmar beiläufig, nachdem er Mikes Verrenkungen eingehend studiert hatte, „und wenn ich mir dein Krankenzimmer so vorstelle, kommt da bestimmt noch mal das Dreifache drauf …“
Dietmar, sein still!“, fauchte ihn Sandra an, doch es war schon zu spät: Mike begann sich unter entsetzlichem Stöhnen erneut zu transformieren: Beine und Arme dehnten sich aus und aus dem Oberkörper beulten sich Muskelmassen nach vorn …
Sandra und Dietmar sprangen entsetzt ein Stück zurück.
Mike, entspann dich …Tief atmen, ganz tief atmen!“, brüllte Sandra, aber Mike wuchs weiter.
Jetzt hilft nur noch Super-Power-Reiki“, murmelte sie, begann Formeln zu flüstern und spürte wie ihre weiße Energie auf Mikes Furor-Energie traf. Innerhalb von Sekunden hatte sie Mikes Herz erreicht und er begann erneut zu schrumpfen …
Doch offensichtlich waren die ständigen Transformationen für Mikes Organismus nun endgültig zu viel. Als er wieder Normalgröße erreicht hatte, kippte er bewusstlos zur Seite.
Da Feuerwehr und Polizei immer deutlicher vernehmbar wurden, entschied Sandra spontan: „Komm, wir nehmen ihn erst mal mit zu uns – die Bullen werden die riesigen Fußabdrücke entdecken und ihn hier finden!“
Ich will ja nichts sagen, aber dir ist schon bewusst, dass unser Freund unsere Wohnung in eine Ruine verwandeln wird, sobald er sich aufplustert?“
Du musst dein loses Mundwerk halten, dann wird Mike auch ruhig bleiben … Wir haben ein ganz anderes Problem: Er ist nackt! Wird ziemlich schwierig, mit ihm U-Bahn zu fahren.“
Am U-Bahnhof ist eine Altkleidersammlung, da ziehen wir ein paar Designerklamotten raus – schließlich sind wir hier in Zehlendorf!“
Okay, und bis dahin darfst du ihn tragen, du bist schließlich hier der Elitesoldat!“
Stöhnend hievte sich Dietmar das Muskelpaket Mike auf die Schultern und sie machten sich auf den Weg in ihre Neuköllner Wohnung.

Am nächsten Dienstag geht es weiter...

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Dienstag, 13. November 2012

Die Hartz-Four Truppe entsteht
Was bisher geschah: Sandra und Dietmar wollen Mike im Krankenhaus besuchen...

Mike öffnete langsam die Augen und nahm verschwommen die Zimmerdecke seines Krankenzimmers wahr. Er war bereits vor einigen Stunden zu Bewusstsein gekommen und hatte mit an gehört, wie sich zwei Ärzte über seinen Gesundheitszustand unterhalten hatten: Die von Mike regelmäßig konsumierten Anabolika und die in den Garnelen enthaltenen Aminosäuren hätten in seinem Körper reagiert – die Heftigkeit der Reaktion war allerdings auch für die Ärzte unerklärlich.
Am Mittag hatte ihm dann Rudi, sein Fitnesskumpel, einen Besuch abgestattet, der allerdings sehr kurz verlaufen war, da Mike noch nicht sprechen konnte:
Mensch Mike, was machst du denn für Sachen? … Ähm … Ähm... Hab dir die Post, die B.Z. und dein BodyXtreme-Magazin mitgebracht – nich, dass du hier vor Kummer eingehst ...“
Mühsam drehte Mike seinen Kopf zur Seite und sah zum Nachtisch. Im Adressfeld des Briefs stand oben links ganz klein als Absender: Dr. Klausen.


Wie, du willst da nicht reingehen?“
Ich spüre Unmengen an Energie, die sich bald entladen werden! Nein, Dietmar, es ist besser, jetzt nicht ins Krankenhaus zu gehen!“
Sie standen vor dem Haupteingang des Krankenhauses Waldfriede in Zehlendorf – und Sandras Hände lagen verschränkt unterhalb ihres Bauches, auf ihrem Sakral-Chakra. Dietmar stapfte genervt neben ihr auf und ab und rauchte.
Sandra, ich habe mich zwei Stunden durch die Berliner Krankenhauscomputer gehackt, um rauszufinden, wo dieser Mike liegt und jetzt …“
Pass auf, 184 war die Zimmernummer, oder? Wir gucken uns die Situation erst mal von außen an!“
Sie liefen durch den Park zum Seitenflügel des Krankenhauses, hinter dem ein kleines Wäldchen begann. Dietmar scannte die Zimmernummern.
Hier, das muss es sein, erste Etage, da rechts. Wenigstens gibt’s ne Bank, so dass wir bequem glotzen können …“
Sie setzten sich und Sandra fragte:
Und, liegt er dort?“
Ja, ich denke, das ist er!“ Dietmar stellte sein Auge noch ein wenig schärfer: „Sieht alles ruhig aus, aber das wird sich ändern, wenn er die zwei-Eurostück großen Pockennarben auf seinem Bauch entdeckt! Von einer großen Energieentladung sehe ich allerdings noch nichts, er ist …“
Vielleicht können wir den Mike in unsere Hartz-Angels-Organisation einbinden. Er könnte uns zum Beispiel bei gefährlichen Aktionen beschützen...“
Wusste ich doch, dass du auf seine Mukies stehst!“
Quatsch! Nur wenn ich mir anhören muss, dass du dich von einem fünfundsechzigjährigen Nervenarzt überrumpeln lässt, dann ist doch klar, dass wir auf deine Elitesoldaten-Qualitäten nicht zählen können. Wir brauchen einen Mann im Team, der physisch etwas zu bieten hat! “
Ich bin ja auch der schlechteste Elitesoldat der Welt – das habe ich irgendwo auch schriftlich … Moment, er versucht sich aufzurichten!“

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Dienstag, 6. November 2012

Die Hartz-Four Truppe entsteht
Was bisher geschah: Fred wollte in die Karibik auswandern und die Röbers sind wieder in ihrer beschaulichen Neuköllner Wohnung. Heute wollen sie sich nun endlich um Mike kümmern...

Madame, das Frühstück ist angerichtet …“
Sandra riss die Augen auf.
Das Frühstück ist angerichtet, Madame…“
Dietmar!!!“ Sie sprang aus dem Bett und hechtete in die Küche.
Ich habe eben wieder diese Stimme in meinem Kopf gehö …“
Ah, da bist du ja …“ Neben ihrem Bruder saß ein älterer Mann am Tisch – und tatsächlich war zum Frühstück gedeckt.
Fred hat seine Jägi-Fahne geschickt, um dich zu wecken. Es ist halb drei! Ich weiß, dass du hast einiges abbekommen hast, aber trotzdem sollten wir langsam mal frühstücken!“
Äh … ach so. Ich zieh mir nur kurz was an …“

Fünf Minuten später saßen sie alle drei am Tisch und Dietmar berichtete:
Freds Ausreise nach Übersee hat nicht geklappt, er stand heute Nacht um zwei vor unserer Wohnungstür.“
Meine jägi-fahne hat sich den mund fusslich jeredet, aba... Naja, zu erst hat se bei der check-in frau anjeklinlt, und so von wegn, da is ne total vavalosta mann ohne ticket und ohne pass aba wichtich, der muss mit. Aba die hat ihern chef anjerufn. Dann hat mehne klenne den pilotn anjefunkt, hat jesagt, das da nenn total wichtcha mann is, der zwar besoffn aussieht aba wichtich ebent, und der geht nich mit den andan passagieren an bord, sondan mitn pilotn aba der hat och sein chef anjerufen. Naja und dann wa ick böse, hab mir den in dutifree gekofften jack daniels hintajeklemmt und hab die jägi-fahne in dit cockpit jeschickt. Und dort hat se so nach rum jestunken, bis der pilot zum copilotn jesacht hat, dit er sich weigan tut mit nem alkoholisiertn kompagnon nen intacontinentalflug zu machen. Ick glob die sten imma noch uff der rollbahn...

Wartet mal kurz!“
Dietmar richtete sein Auge auf die Wohnungstür.
Es klingelte.
Seid still! Ich habs doch gewusst: Das ist so ein GEZ-Schnüffler! Jetzt schön ruhig sein, dann zieht der Typ von alleine wieder ab …“
Es klingelte ein weiteres Mal.
Der geht bestimmt gleich zu Sabine hoch“, sagte Sandra
Die ist doch auf Hartz IV und befreit, oder?“
Ja, schon, aber die hat ab und zu Jobs, da wird dann gleich GEZ kassiert. Und das bei ner alleinerziehenden Mutter! Aber die is clever und macht bestimmt nicht auf … So, können wir jetzt weiter machen? Wir müssen gleich einem Hartz-IV-Opfer einen Krankenbesuch abstatten und …“
Dietmar schielte mit seinem Glasauge in den vierten Stock.
Moment: Sabine ist nicht da – ich sehe nur ihren Sohn, der vor der Glotze hängt …“
Das ist der Fabian, oh je, der ist grade in so einer Scheiß-Egal-Phase, hat sie erzählt, typisch Teenager. Der macht bestimmt auf und lässt auch noch den Fernseher weiter laufen!“
Der Kontrolettie klingelt gleich!“, zischte Dietmar aufgeregt.
Wir müssen Fabian anrufen, aber ich habe die Nummer nicht.“
Schik di jägi-fahne!“, rief Fred.

Zwei Sekunden später klingelte im vierten Stock das Telefon. Fabian Schmidt konnte den Ton nicht zuordnen, aber da er die Nacht durchgekifft hatte, ließ er sich davon nicht stören und hob den Hörer ab.
Schmidt.“
Hier ist Gülschen, aus dem Haus von gegenüber.“
Kenn ich nicht, müssense sich verwählt haben …“
Nein, nein! Mein Vater hat zu mir gesagt, dass du misch immer beobachten tust, wenn isch Abends mein Kopftuch ablege …“
Äh, sorry, ich … ich doch nicht!“
Warte! Er sagt, dass er jetzt rüber macht, um dir Fresse zu polieren ...“
In diesem Moment klingelte es an der Tür.
Fabian stand für einige Sekunden bewegungslos im Wohnzimmer.
Ähh … pass mal auf, Gülschen, ich geh jetzt zur Tür und sage deinem Paps, dass ich dich nie begafft habe und och nich auf Kopftuchmädchen stehe …“
Wieder klingelte es an der Wohnungstür.
Warte, bitte, warte …Ich bin gar kein richtiges Kopftuchmädchen, eigentlisch, eigentlisch bin ich total die Türken-Bitch. Nur weil wir Kopftuch tragen, heißt nisch, das wir nisch geil werden, verstehst du? Ich hab disch auf Straße gesehen. Isch hab grad nur Kopftuch und Strapsen an und weil isch an disch denk, sind meine Nippel hart. Aber bitte, nicht zu Tür gehen, nix mein Vater sagen …“
Fabian musste schlucken und ließ sich auf einen Stuhl gleiten.
Wie … ähm, wie siehst du denn sonst so aus?“, fragte er schüchtern.
Isch hab braune Augen, bin 1,80 groß, schlank, oh isch muss auflegen …“
Warte, wann können wir uns sehen?“, hauchte Fabian in den Hörer.
Geht nisch, nächste Woche ich Zwangsverheiratung – muss auflegen, ein von mein Bruder ist gekommen, muss Burka über Strapsen ziehen …“

Der Schnüffler zieht ab!“, konstatierte Dietmar.
Ich weiß nicht wie, aber das hast du gut gemacht, Fred!“, lobte Sandra.
Oh je, Dietmar, wir müssen jetzt wirklich los!“
Na gut, aber ich muss erst noch im Netz schauen, wo Mike liegt.“
Dann mach, aber pronto! Fred willst du mitkommen?“
An sich jerne, aba mein karibiktraum is noch nich ausjeträumt – heute probier ichs in tegel...“
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© Georg Weisfeld c/o Agentur Literatur Hebel & Bindermann